Raumkorrektur durch elektronische Filter

Frequenzgang eines Hörraums mit (inversem) Frequenzgang des Korrekturfilters

Ob, wie und welche
Raumkorrekturfilter in Hifi-Hörräumen sinnvoll eingesetzt werden können

Zu den Fragen, die unter Hifi Enthusiasten besonders lebhaft
diskutiert werden, gehört sicher die nach dem Sinn oder Unsinn von Filtern zur
Klangkorrektur. Während die Industrie – insbesondere Hersteller von
Lautsprechern mit integrierten, sich automatisch adaptierenden Filtersystemen –
hier die einfache Lösung aller raumakustischen Probleme suggeriert, verteufeln
Puristen jeglichen elektronischen Eingriff als unbedingt zu vermeidende
Verfälschung.

Warum überhaupt filtern? Warum nicht besser gute Räume bauen?

Die Wiedergabekette aus Quelle mit Ausgangsverstärker,
Vorverstärker, Endstufe, Frequenzweiche, Lautsprecher und Raum lässt sich
signaltheoretisch als Reihenschaltung komplexer Übertragungsfunktionen
darstellen. Eine möglichst authentische Wiedergabe des Audiomaterials ist gegeben,
wenn

1. die Übertragung der Frequenzanteile im Hörbereich
möglichst mit gleichem Pegel erfolgt (linearer Frequenzgang),

2. alle Frequenzanteile nahezu mit der gleichen Verzögerung
beim Hörer eintreffen (konstante Gruppenlaufzeit),

3. die Übertragung möglichst verzerrungsfrei erfolgt und

4. diese Verzögerung möglichst gering ist

Der letzte Punkt ist in vielen Fällen sicherlich nicht
relevant; ohne Bildbezug ist eine verzögerte Wiedergabe vernachlässigbar. Doch
die ersten drei Punkte sind entscheidend für den Klang der Anlage im Raum. Bei
einigermaßen hochwertiger technischer Ausstattung haben die Lautsprecher und
vor allem der Abhörraum dabei den mit Abstand größten Einfluss. Dabei ist die
Übertragungsfunktion des Raumes natürlich auch von der Position des
Lautsprechers und der Abhörposition abhängig.

Beim Vergleich typischer Frequenzgänge von Endstufe, Lautsprecher und Raum wird klar, wo die Probleme liegen

Beim Vergleich typischer Frequenzgänge von Endstufe, Lautsprecher und Raum wird klar, wo die Probleme liegen

Zu den wichtigsten Anforderungen an einen guten Hifiraum
gehören:

1. eine reflexionsfreie Zone im Bereich der Abhörposition,
an der keine frühen Reflexionen eintreffen. Diese Bedingung ist noch mit
verhältnismäßig geringem Aufwand (beispielsweise mit porösen Absorbern) zu
erfüllen.

2. Ein niedriger und über der Frequenz gleichmäßig verlaufender
Nachhall. Um diesen auch bei niedrigen Frequenzen zu reduzieren, ist bereits
etwas mehr Aufwand (beispielsweise der Einsatz von Breitbandabsorbern)
notwendig.

3. Ausreichend bedämpfte Eigenmoden, die ansonsten Wellenknoten
und Wellenbäuche verursachen und zu starken Abweichungen im Frequenzgang und
langem Nachschwingen bei diesen Raumresonanzen führen. Eine hinreichende
Bedämpfung dieser Raumresonanzen ist in den meisten Fällen (wenn überhaupt) nur
durch den Einsatz von breitbandigen und/oder abgestimmten Bassfallen zu
erfüllen.

Jedem Praktiker ist klar, dass es keine akustisch perfekten
Wiedergaberäume gibt. Und in vielen realen Fällen sind diese Bedingungen selbst
dann nicht zu erfüllen, wenn ein dezidierter Hifiraum zur Verfügung steht und
kein familiärer Konflikt bei der akustisch optimierten Umgestaltung des
Wohnzimmers droht. Oft ist der Raum einfach zu klein, es ist nicht genug Platz
für Bassabsorber vorhanden oder es befinden sich Türen oder Fenster an jenen
Positionen, die zur Bedämpfung der Eigenmoden eigentlich mit Bassfallen belegt
werden müssten. In Mieträumen lohnen sich aufwändige Investitionen nicht über
kurze Nutzungszeiten oder es steht insgesamt einfach nicht genug Budget zur
Verfügung.

In all diesen Fällen ist es sinnvoll, nach Ausschöpfung
aller raumakustischen Maßnahmen den Einsatz von Filtern zur Raumkorrektur
zumindest zu prüfen.

Akustikmaßnahmen in einem Hifiraum

Akustikmaßnahmen in einem Hifiraum

Messung und Hörversuche sind gleichermaßen wichtig bei der Beurteilung einer Abhörumgebung

Messung und Hörversuche sind gleichermaßen wichtig bei der Beurteilung einer Abhörumgebung

Warum dann der
bauliche Aufwand, warum nicht gleich filtern?

Auch ein ideales Korrekturfilter kann raumakustische
Maßnahmen nicht ersetzen. Das gilt sowohl für die Schaffung der
reflexionsfreien Zone als auch für die gleichmäßige Reduktion des Nachhalls auf
ein angemessenes Maß. Auch die Ortsabhängigkeit des Schallfeldes je nach
Position relativ zu den Wellenknoten und Wellenbäuchen kann durch ein Filter
nicht reduziert werden. Denn das Filter verändert ja den vom Lautsprecher
abgegebenen Pegel für alle Positionen im Raum. Und auch das lange Nachschwingen
bei den Modalfrequenzen kann durch Filter nicht korrigiert werden. Es ist also
nicht nur sinnvoll, sondern sogar notwendig, diese Probleme direkt an der
Ursache anzugehen und die Raumakustik zu optimieren.

Außerdem sind auch Filter reale Bauteile, die bestimmte
„Nebenwirkungen“ haben. Bei analogen Filtern und digitalen IIR-Filtern gibt es
keine (erwünschte) Änderung des Pegels ohne eine entsprechende (meist
unerwünschte) Änderung der Phase. Dabei gilt: je steilflankiger das Filter, je
extremer und hörbarer die Phasenänderung. Insbesondere bei Eingriffen im
mittleren und oberen Frequenzbereich kann diese Phasenverzerrung schnell der
limitierende Faktor für einen sinnvollen Filtereinsatz werden.

Mehr dazu: Phase Response in Active Filters (englisch)

Für digitale FIR-Filter gilt das nicht unbedingt, dieser
Filtertyp kann linearphasig ausgelegt werden und ist damit in der Lage, den
Pegel unabhängig von der Phase zu verändern. Allerdings muss das Filter dafür
„in die Zukunft schauen“ und die Wiedergabe insgesamt etwas verzögern; diese
Filtertypen weisen also eine bisweilen nicht unerhebliche Latenz auf. Auch wenn
dies für typische Hifi-Hörer nicht nachteilig ist, sind bei Wiedergabe mit
Ton-Bild-Bezug auch kleine Verzögerungen sehr schnell störend. Viele moderne
Digitalfilter kombinieren daher linearphasige FIR-Filter mit minimalphasigen FIR-
und herkömmlichen IIR-Filtertypen; erfolgreiche Produkte überzeugen durch einen
gelungenen Kompromiss zwischen effektiver Pegeländerung bei minimaler
Phasenverzerrung und minimaler Latenz.

Neben diesen unvermeidlichen Nebenwirkungen muss ein
analoges Signal für die Verarbeitung durch ein digitales Filter natürlich
zunächst einen AD-Wandler und abschließend einen DA-Wandler passieren.
Spätestens hier wird es schwierig, allgemein anerkannte Aussagen zur
klanglichen Beeinflussung von ADDA-Wandlern zu treffen, mitunter mutet die
Diskussion zum Thema fast schon dogmatisch an. Aber es ist wohl unbestritten,
dass die Qualität der Wandler (Abtastfrequenz, Wortbreite, Dithering, Bauart,
Antialiasing-Filter, Taktung) grundsätzlich hörbar ist. Nicht umsonst wird bei
beim Mastering von Audioproduktionen die digitale Technik ganz bewusst über
hochselektierte ADDA-Wandler eingesetzt. Dort wird dann häufig unser analoges
Raumkorrektur-Filter COSINUS eingesetzt.

Cosinus Analogfilter

Cosinus Analogfilter

Digitalfilter sind besonders flexibel und benutzerfreundlich zu bedienen (Abb.: ConEQ APEQ-Software)

Digitalfilter sind besonders flexibel und benutzerfreundlich zu bedienen (Abb.: ConEQ APEQ-Software)

Was denn nun?
Bauliche Maßnahmen oder Filter? Analog oder digital?

Sowohl als auch! Bauliche Maßnahmen – seien es
Breitbandabsorber, Diffusoren oder Bassfallen – sind durch kein Filter zu
ersetzen und sollten immer so konsequent umgesetzt werden, wie es Platz und
Budget zulassen. Falls danach noch Korrekturen am Frequenzgang notwendig sind –
dies betrifft in vielen Fällen vor allem den Bassbereich durch ungenügend
bedämpfte Eigenmoden – können sowohl analoge als auch digitale Filter zum
Einsatz kommen. Digitale Systeme sind dabei ungleich flexibler,
reproduzierbarer und viel einfacher in der Bedienung; auch wir setzen nach wie
vor gerne gute digitale Raumkorrekturfilter wie den Trinnov oder ConEQ ein. Mit
dem Cosinus ist eine Alternative für anspruchsvolle analoge Hörumgebungen
verfügbar, die zwar gegenüber den digitalen Systemen deutlich beschränkt ist
(nur drei Bandpässe, Frequenzbereich 20 – 240 Hz), aber eben ohne ADDA-Wandlung
auskommt. Um zu entscheiden, welches System das richtige ist, empfehlen wir
einen unverbindlichen Test vor Ort. Dabei sollte man sich keineswegs nur auf
Messwerte verlassen; ohne ausgiebige Hörtests kann die Entscheidung für oder
gegen ein bestimmtes Filter nicht seriös getroffen werden. Und wenn dann das
passende Filter im raumakustisch ausgestatteten Raum optimal konfiguriert ist,
ist die Audiowelt wieder in Ordnung.

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